Anschütz 380: Potenter-Klassiker
- PelletPanda
- 4. Aug. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Feb.

Ein Gewehr aus Zeiten in denen absolute Fertigungspräzision sehr hoch im Kurs stand. Und nicht nur das.
Habe das Gewehr bei einem Kollegen auf Youtube im Test gesehen und direkt optisch liebgewonnen, weil es auf mich fast zeitlos im Sinne des Designs wirkt. Es kommt mir einfach nicht alt, und schon gar nicht wie Omas Kleiderschrank vor. Eleganz und Anmutung sind Attribute, die mir direkt einfallen.
Und dann soll die Knifte auch noch auf 50 Meter kleine Streukreise produzieren? Das musste ich mir selber anschauen.
Das Gewehr war bei Erhalt in gebrauchtem Top-Zustand, ich konnte mir dennoch, wie so oft bei älteren Gewehren, ein komplettes Pflegeprogramm innen und außen nicht verkneifen. Habe die Waffe nicht komplett zerlegt, aber zumindest im Sinne der wesentlichen Komponenten auseinandergebaut, gereinigt, geölt, einfach den Staub der Jahrzehnte weggeputzt. Und da stand sie vor mir in all ihrem Glanze, ihrer Glorie, mit Vorschusslorbeeren und hohen Erwartungen meinerseits.
Darf ich mich vorstellen:
Anschütz 380
Kaliber 4,5mm Diabolo
Einzellader, Seitenhebelspanner
Serie < 7,5J
Prellschlagfrei
Individuell:
MEC-Schaftkappe, verstellbar
Bushnell Prime 3-12x56 Zielfernrohr
Große Umbauten habe ich hier nicht vorgenommen, das Gewehr allerdings auf Zielfernrohr umgebaut und u.a. auch Kornträger und Korn entfernt. Das verbaute Zielfernrohr war ein Experiment. Es ist absolut kristallklar und gestochen scharf (Preis/Leistung stimmt hier definitiv), der fehlende Parallaxenausgleich hat mich letztlich aber wirklich gestört. Die Optik hat im Test trotzdem einen guten Job gemacht, auch ohne dieses Komfortfeature. Eine bessere Schaftkappe gehört für mich meist zum Standardprogramm bei Gewehren älteren Semesters, die alten Gummidinger sind im Sinne der Funktion im Regelfall maximal „ok“, und oftmals auch einfach durch.

Das Besondere an der Anschütz 380 ist sicherlich das hochkomplexe System, welches rückstoßfreies Schießen ermöglicht. Einen Prellschlag konnte ich nicht vernehmen, auch keinerlei Bewegung der Waffe bei Schussabgabe. Anders als bei z.B. der allseits bekannten Feinwerkbau 300s bewegt sich hier aber nicht das komplette System vor und zurück um den Prellschlag abzufangen, denn dies passiert, vom Schützen völlig unbemerkt, im Inneren. Absolut revolutionär zu seiner Zeit und heute aus meiner Perspektive immer noch zeitgemäß. Überlegt mal, die aktuelle Diana 54 Airking Pro z.B. kommt immer noch mit einem sich bewegenden System, und das x Jahrzehnte nach Markteinführung der Anschütz 380. Der vermeintliche Nachteil: wenn jetzt etwas kaputtgeht, uff, bekommt das mal repariert. Ersatzteile sind rar und selbst bei Anschütz wird’s da mit Support schwierig.

Der Schaft des Match-Gewehrs erlaubte mir sehr komfortables und sehr ergonomisches Halten, was grundsätzlich förderlich für entsprechende Schussergebnisse sein kann. Die verstellbare Schaftkappe tat dann den Rest im Sinne einer idealen Haltung im Anschlag. Das fühlte sich für mich alles wie maßgeschneidert an. Das höhere Gewicht des Gewehrs über 4kg wirkte insgesamt auch positiv auf weniger Verwackeln ein.

Der ganze Spann- und Ladevorgang mit der 380 hat irgendwie etwas markantes, ganz charakteristisches. Spannhebel zurückziehen (rechts zur Seite weg), Diabolo einlegen, Spannhebel zurück, Feuer frei. Das hat schon was. Das Einlegen des jeweiligen Diabolos geht dabei ohne Probleme. Tipp: übertreibt es einfach nicht mit der Länge des Zielfernrohrs.
Der Abzug ist extrem fein einstellbar (Druckpunkt, Vorweg & Triggerstop) und in bester Match-Manier war er für mich leicht beherrschbar, würde mir auch eine gewisse Feinmotorik unterstellen. Das Abzugsgewicht ist typisch für Match-Gewehre gering.

Die DNA für präzises Schießen ist also vorhanden, aber wurde sie den Vorschusslorbeeren jetzt gerecht?
Die Anschütz 380 mochte besonders folgende Diabolos:
JSB Match Middle Weight, 0,52g, 4,5mm
Mit diesen habe ich folgende Leistungsdaten ermittelt:
10 Schuss
Durchschnitt 7,49J
Durchschnitt 169,76 m/s
Abweichung vom Mittelwert 1,31 m/s
Da gibt es nichts auszusetzen, „on point“ sagt man dazu wohl. Besonders die konstante Leistungsabgabe fällt hier ins Auge.
Auf den verschiedenen Distanzen habe ich dann folgende Ergebnisse dokumentiert:
Distanz | Diabolo | Hitbox / Streukreis | Location / Wetter | Anschlag | Optik |
---|---|---|---|---|---|
10m | JSB Match Middle Weight 0,52 4,5mm | 13x15mm | Indoor | Sitzend, vorne aufgelegt | ZF, Bushnell 12x56 |
25m | JSB Match Middle Weight 0,52 4,5mm | 26x15mm | Indoor | Sitzend, vorne aufgelegt | ZF, Bushnell 12x56 |
Das sind insgesamt sehr gute Werte, für einen Platz in der Elite-Abteilung reicht das aber nicht ganz, wenn wir jetzt nur die reinen Zahlen betrachten. Aber das Gewehr ist dennoch ein „Performer“, keine Frage. Bedenkt man vor allem den Stand der Technik, sind die Ergebnisse im Vergleich zu denen hochmoderner PCP-Gewehre nicht weit ab vom Schuss. Was mir aufgefallen ist: das Gewehr konnte mir vor allem auf größere Distanz keine 100% Confidence verleihen, insbes. im Vergleich zu so manchem Konkurrenten. Es war immer mal wieder ein „Ausreißer“ dabei, der spontan ein „warum“ auslöste. Und ich hätte mir wirklich eine bessere 10m-Leistung erhofft. Aber, Leute, meckern auf hohem Niveau, da gibt es Tonnen an Gewehren, die wesentlich schlechter abliefern, und wenn es nicht grundlegend präzise wäre, wäre das Gewehr nicht auf dieser Website zu sehen.
Es bleibt aber trotzdem ein geteilter Eindruck, bei dem ich besonders positiv das Erlebnis und die Optik abspeichere. Endpräzision bis zum letzten Millimeter hole ich mir allerdings eher woanders ab.
Fazit: Potenter-Klassiker

Comments